Es gibt ein weiteres Zauberwort in der magischen Welt des Projektmanagements: Resilienz. Zumindest ist das mein Eindruck, basierend auf der Nennungshäufigkeit in Blogs wie diesem, Fachportalen, Artikeln und so weiter. Ob IPMA oder PMI, überall taucht der Begriff als zentrale Fähigkeit zur Führung von Projekten, aber auch als Projekteigenschaft auf. Wikipedia definiert Resilienz als «psychische Widerstandsfähigkeit». Eine kurze Internetrecherche zeigt, dass hier kein Klischee ausgelassen wird und dass beim Buzzword-Bingo keine Freude aufkommt, weil immer zu schnell einer Bingo rufen kann.
Und auch wirtschaftlich lässt sich da was draus machen. Die «Resilienz-Akademie» schiesst diesbezüglich den (resilienten?) Buzzword-Vogel ab: «Agilität und Resilienz sind die Zukunftskompetenzen, um Unternehmen auch in der VUCA-Welt stark und erfolgreich zu machen.»
Nun drängt sich zumindest mir die Frage auf, was diese Eigenschaft auf einmal so bedeutsam macht. Waren Projekte vor 10 Jahren deutlich stressfreier? Sind die Anforderungen an die handelnden Personen drastisch gestiegen? Eine aktuelle Studie der IPMA, KPMG und AIPM weist auf zunehmenden Wettbewerbsdruck bei den Unternehmen hin. Das Rad dreht schneller und die Ansprüche an Termineinhaltung steigen unzweifelhaft (zumindest bei nicht-öffentlichen Projekten). Genannte Studie konstatiert daher die notwendige Fokussierung auf strategiebezogene und zwischenmenschliche Führungskompetenzen, also mehr Führungs- und weniger Methodenkompetenzen. Aber bedeutet dies auch eine höhere Belastung?
Eine Studie der GPM aus dem Jahr 2014 zeigt, dass die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen in den Jahren 2010-2014 um 165% zugenommen haben. 25% aller Befragten fühlen sich überfordert und 33% sehen sich an ihrer Leistungsgrenze. Und damit der Einzelne seine Widerstandskraft erhöhen kann, werden auch gleich die „Big Five“-Gegenmassnahmen mitgeliefert: erholsame Kurzpausen einplanen, regelmäßig Sport treiben, ausreichend schlafen, nicht in allem perfekt sein wollen, ausreichend Spaß haben (Lachen).
Sind wir nun auf einmal alles Weicheier, oder war früher vieles einfacher? Antwort: Falsche Frage.
Stattdessen sollte die Frage aufgeworfen werden, ob ein dickeres Fell überhaupt hilft und wenn ja, in welchen Fällen?
Und damit schlage ich die Brücke zum Titel des Artikels. Nassim Taleb beschreibt in seinem Buch «Der schwarze Schwan» die Geschichte eines Truthahns, der mit Beginn seines Lebens Fürsorge erfährt. Jeden Tag erlebt dieser Truthahn Schutz, Verpflegung und aufmunternde Worte und begeht dabei einen fatalen Fehler: Er schliesst aus der Vergangenheit auf die Zukunft, was wohl in den allermeisten Projekten und Unternehmungen genauso gehandhabt wird.
Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, solange wir es nicht mit einer Umgebung zu tun haben, die für uns von der Regel abweichende Überraschungen bereithält. Die Ingenieure des Atomkomplexes in Fukushima können ein Lied davon singen – die Höhe der Schutzmauern war an den in der Vergangenheit gemessenen maximalen Wellenhöhen orientiert. Resilienz ist immer nur so gut, wie die Annahme über das Level der abzuwehrenden Überbeanspruchung.
„Schlüssige“, erfahrungsbasierte Prognosen retteten den Truthahn nicht. Seine Resilienzkompetenz half nur bedingt in der VUCA-Truthahn-Welt und Zufälligkeit kann nicht damit beseitigt werden, dass wir versuchen Zufälligkeit zu beseitigen! Zufälligkeiten scheren sich nicht um unsere Planung. Interessanterweise existieren aber auch bereits Studien, die den Erfolg von «resilienten Organisationen» unter die Lupe nehmen. So fasst Andreas G.M. Nachbagauer von der FH des bfi in Wien zusammen: «No systematic connections between successful handling of the unexpected and features normally ascribed to resilient organizations …… were found.”
Bildquellen
- Truthahn: Public Domain Pictures / Pixabay